Home / Weblog / Post

Der Künstler Andre Krigar stellt aus bei Hilde Leiss

Mar 2nd 2016, 21:40 - Permalink

Augustin Martin Noffke

Gedanken zur Malerei von André Krigar

" Als der Philosoph Richard David Precht den Autoren und Filmemacher Alexander Kluge kürzlich in einem Interview etwa sinngemäß fragte, ob unsere Zeit, in ihrer hybriden Komplexität, unverortbaren Vielschichtigkeit und pluralistischen Werteverfangenheit, überhaupt vom Bürger verstanden und bewältigt werden könne, und ob es nicht in dem Vorher der menschlichen Geschichtsbewußtheit „ruhigere“ und überschaubarere Zeiten gegeben hätte, da antwortete Kluge knapp und exakt: „Nein. Es war nie anders!“
In dieser vermeintlich überraschenden Antwort offenbarte sich die Weisheit eines be- wußten und aufmerksamen Gebildeten, eines Geistes, dazu eines großen, und das Ge- spräch hätte hier bereits zu Ende sein dürfen, eben für all‘ jene „Denkenden“ sowieso. In dem hier paraphrasierten Gespräch schien es Precht kurz die Luft zu rauben, was er gehört hatte. Es ist eine Erkenntnis, die wir gewinnen können, wenn wir die Bedeutung der persönlichen Erfahrungshybris einmal gegen null fahren, daß namentlich wir Men- schen in unserer „Entwicklung“ immer nur das Gleiche erlebt haben, nur eben immer anders.
Wie hat ein orthodoxer Katholik der Renaissance den kulturellen Himmelseinbruch durch die Reformation erlebt, was erlebte besonders der mitteleuropäische Raum im dreißigjährigen Krieg. Die Liste der möglichen Aufzählungen ist scheinbar unendlich, von der unüberschaubaren und vermeintlich grausamen Überlebens-Welt der Urzeit über Sklaverei, die Ausrottung von Ureinwohnern in der „Neuen Welt“, zu verächtli- chen Napalmkriegen oder jedwedem Terror, persönlichem, nationalem oder religiösem, ideologischem Totalentgleisen aus der vermeintlich uns innewohnenden „Menschlich- keit“.
Wer setzt sein Leben in Wert, der erfolgreiche Unternehmer oder der stille Bettelmönch. Beide, nur anders. Alexander Kluge präsentiert eine Klarheit im Blick auf das Leben, die Ruhe und Frieden einkehren läßt, in einer Zeit, in der Precht Unordnung und Unüber- schaubarkeit seismographiert.
Indes geht von der Gelassenheit des wachen Gesichtes, welches keinen Anblick gescheut hat, erst Licht und Frieden aus. All‘ die Wirrnis, all‘ die Irritation, dieser vermeintlich dämonische Nebel der Nieverstehbarkeit ist zugleich ein riesig aufgeblasenes stilles Großes, ein gutes Nichts, unsere zeitgenössische Vernunft nur eine Prostituierte unseres Wollens, ein Konfusium, ein Turmbau zu Babel, ein Konstrukt aus „Wille und Vorstel- lung“ oder dem Zusammenbruch der beiden.
Die Menschheit weiß genug, eigentlich weiß sie, wie es geht, sie erinnert sich aber nicht gern. Sie schwimmt zwischen Verdrängung und Einbildung. Wir laufen lieber, rennen weiter im Kreis, nur mal wieder „anders“.

André Krigar malt. Ob er will oder nicht, er malt das alles. Es fällt zuerst gar nicht auf, im Gegenteil: Wir sehen Landschaften, in diesem Buch solche aus der Stadt Hamburg und es will manchem Betrachter nicht recht gefallen oder eben gerade sehr gefallen, wie unpolitisch, wie eingängig und lesbar seine Bilder gearbeitet sind.
Krigar muß in den letzten „Tagen“ eine Veränderung erfahren haben, denn seine ein- drücklich-ausdrucksbetonten Arbeiten, eine impressionistisch-expressive Sphäre einigt alle, erschließen bei langem Betrachten die Ordnung im Chaos, den Frieden in der Unruhe der Stadt und das Licht im Schatten, im Dunkel. Ihn verläßt die Not der exakten Übertragung von Gesehenem, er erfährt das Ereignis der Malerei, Körper Raum Licht vereinigend im farbigen Malschlamm. Er vereint Heterogenität und Homogenität im Prozeß des Malaktes, beide sind ein Leib.
Welche vermeintlichen Gegensätze er auch immer vor sein Auge bekommt, er kompo- niert eine Kopulation daraus, eine Vereinigung. Seine Sichten sind nicht aggressiv, nicht agitatorisch, nicht provokativ, und dennoch provozieren sie durch ihre Abständigkeit auf diesen Akt, die „Conditio humana“ kommt für einen Moment fühlbar zur Ruhe. Dabei gelingen Krigar Arbeiten, welche die Bewohner dieser Stadt streicheln: Die „Abendliche Spiegelung auf der Binnenalster“ und „Sonnenuntergang, Ballindamm“ fangen Stimmungen, in denen sich der Ort als warm und cremig, dick und bergend dar- stellt. Die Szenen rund um die Alster atmen eine edle und fast geile Luft, Prächtigkeit scheint sich anzumelden. Manche Ansichten erahnen französisches Licht. Und das als Abbild einer norddeutschen Polis, die sich ihrer „Unterkühltheit“ stolz bewußt scheint und dennoch darunter zu leiden scheint. Als Maler aus der zweiten Generation der neuen Realisten und Naturalisten in Deutschland gibt André Krigar nichts vom Under- statement dieser Stadt wieder, sondern eher etwas vom „dolce vita“ dieses Fleckens, er preist sie. Wer Augen hat, der schaue.
Seine Malerei atmet nicht die kleinen Sorgen dieser Gemeinde, er erkennt ihre Sphäre aus seiner Distanz zu diesem Ort, der ihn als Gegensatz zum großen trockenen Bruder Berlin immer wieder attraktiert.
Gegen die pathologische Daseinsverortung unserer Tage, die scheinbar richtungslos, besonders in den „Medien“ regiert, ist Krigar ein Kluge der Malerei, einer Malerei, die zu sich selbst gefunden hat, die sich in sich selbst zu vergessen scheint, im Prozeß der rastlosen Pinselführung die Vernunft verliert, das Denken, das Werten, das Leiden... und Erkenntnis im Malereignis gewinnt. Krigar ist sinnlicher freier wilder natürlicher selbstloser reicher geworden, frei atmend: In seinen Bildern wird der Raum um den Teich in der Mitte dieser Stadt zu einem ästhetischen Film ".

Wir freuen uns über Ihre Interesse und auf Ihren Besuch!

Wolf Keller
Facilitator